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Stimmt die Angabe des Neuwagenpreises in der Police?

April 04, 2018

Es kann sein, dass Ihr Versicherer bei einem Kaskoschaden an Ihrem Fahrzeug Leistungen kürzt. Schuld sein können ein falsch angegebener Neupreis oder nicht deklariertes Zubehör.

Wir hatten jüngst einen Land Rover Defender mit einem Kaskoschaden in Reparatur. Der Offroader war recht stark modifiziert und nebst Wateinrichtung und Folierung auch mit einem speziellen Dachträger ausgestattet, auf dem in einer Box verpackt ein Dachzelt montiert war. Der Fahrer achtete bei der Einfahrt in eine Einstellhalle nicht auf die Höhenbeschränkung und beschädigte so die Dachbox.
Beim Hinzuziehen der Versicherung kamen zwei wesentliche Aspekte ans Licht:

  1. Die diversen Umbauten des Fahrzeuges und das Zubehör waren dem Versicherer nicht als Zubehör gemeldet worden.
  2. Der Land Rover Defender gilt zulassungstechnisch nicht als Personenwagen, sondern als Lieferwagen.

Generell lässt sich anhand dieser beiden Sachverhalte sagen, dass das Fahrzeug eine krasse Unterversicherung bezüglich des Fahrzeugwertes aufwies. Viele Versicherer kürzen im Kaskofall bei Unterversicherung ihre Leistungen bzw. lehnen Schäden am Zubehör ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schaden nicht deklariertes Fahrzeugzubehör betrifft oder nicht. Klar ist, dass beschädigtes Zubehör, das im Kaskofall Schaden nimmt, überhaupt nicht gedeckt ist.

Zum Glück hatte der Halter des besagten Fahrzeuges eine Versicherung gewählt, die Kulanz zeigte und zuliess, dass das nicht deklarierte Zubehör nachträglich und rückwirkend mit in die Police aufgenommen werden konnte. Der Schaden war somit gedeckt. Bezeichnenderweise handelte es sich beim kulanten Versicherer um eine genossenschaftlich organisierte Gesellschaft, bei der Gewinnoptimierung nicht über allem steht und die etwa auch keine Einschränkung der Werkstattwahl im Schadenfall betreibt. 

Der Sachverhalt aus Punkt 1 war uns bekannt. Gestaunt haben aber selbst wir, als wir erfuhren, dass ein Land Rover Defender als Lieferwagen gilt, und zwar selbst dann, wenn er fünf Sitzplätze aufweist und der Laderaum nicht mehr Stauraum bietet als viele Kombis.

Unser Staunen wurde zu Nachdenklichkeit, als uns klar wurde, was das für Fahrzeughalter bedeuten kann, die glauben, einen PW zu fahren, aber in Tat und Wahrheit einen Lieferwagen besitzen. Solange nichts passiert, ist das nicht von Belang und wirkt sich womöglich höchstens in der Fahrzeugsteuer aus. Im Kaskofall aber kann dieser feine Unterschied einen Autohalter unter Umständen viel Geld kosten.

Stimmt der Neupreis in der Police?
In jeder Autoversicherungspolice muss der Neupreis des versicherten Fahrzeuges angegeben werden. Erhält der Versicherer vom Fahrzeughalter keine Angaben zum Neuwagenpreis, ermittelt er den bei PW anhand des Typenscheins und rechnet 10% Zubehör dazu. Dieser Preis kann extrem realitätsfern sein. Der Neuwagenpreis gemäss Typenschein entspricht der Basisausstattung eines Modells, berücksichtigt aber nicht die Ausstattung. Bei manchen Premium-Herstellern können der Neuwagenpreis gemäss Typenschein und der effektive, ausstattungsbereinigte Kaufpreis (mit Leder, Navi, Soundsystem, Alufelgen, Assistenzsysteme usw.) durchaus im Verhältnis 1:2 stehen. Wird dem Versicherer nicht der effektive Kaufpreis als Neuwagenpreis genannt, kommt‘s im Schadenfall zu Unterversicherung – der Versicherer wird seine Leistung entsprechend dem Grad der Unterversicherung kürzen. Das kann teuer werden.

Noch krasser liegt der Fall bei Lieferwagen. Hier gilt ohne entsprechende Angaben des Fahrzeughalters der Netto-Listenpreis des Herstellers als Neupreis (ohne MwSt. und ohne den 10%-Zuschlag). Die Gefahr der Unterversicherung ist hier also wesentlich grösser. Tückisch: Was Lieferwagen ist, und was PW, wird allein über den Typenschein definiert und bleibt Laien oft verschlossen.

Unser Tipp:
Nennen Sie Ihrer Versicherung als Neuwagenpreis unbedingt den effektiven Kaufpreis des Fahrzeuges inkl. allem Zubehör egal ob es sich um Werksoptionen oder nachträglich montiertes Zubehör handelt. Bei einem Neuwagen ist das der Preis im Kaufvertrag. Etwas schwieriger kann es sein, den effektiven Neupreis zu eruieren, wenn Sie eine Occasion kaufen. Ist der Wagen aber vollgestopft mit Extras, sollten Sie Ihren Versicherer darauf hinweisen, dass ein Neuwagenpreis gemäss Typenschein plus 10% wohl zu tief liegen dürfte und die Gefahr der Unterversicherung besteht.

Wichtig ist auch, später montiertes Zubehör wie Dachträger, Felgen, Motormodifizierungen, Folierungen usw. der Versicherung als Zubehör anzugeben. Ansonsten ist solches Zubehör nicht versichert und es droht im Kaskoschadenfall ebenfalls Unterversicherung mit entsprechender Leistungskürzung des Versicherers.

Erstellt von Christoph Schmutz

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